Growth oder Value .. die unendliche Geschichte

Nach langen Jahren der deutlich besseren Anlageergebnisse der „Growth“- Werte konnten im vergangenen Jahr die „Value“ Anhänger aufatmen. In einem insgesamt desaströsen Jahr für Finanzanleger sorgten Aktien, die unter der Marke „Value“ segelten, für eine deutlich bessere relative Performance als die bis dahin deutlich überlegenen Growth-Titel. Zur Überraschung vieler Marktteilnehmer startete das Jahr 2023 dann wieder mit einer bemerkenswerten Growth-Rallye. Eine gute Vorlage, um dieses Phänomen einem intensiveren Check zu unterziehen. Im Bewertungsvergleich weisen Value Aktien grundsätzlich ein hohes Maß an Substanz auf. Für die fundamentale Bewertung dieser Aktien spielen die zukünftigen Gewinnsteigerungen nur eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht vielmehr ein günstiges Verhältnis von Gewinn/Aktie sowie Buchwert/Aktie. Zusätzlich wird auf die Dividendenrendite abgestellt. Zur Einordnung als Growth-Aktie nutzt der Indexanbieter MSCI die Kennzahlen kurz- und langfristige Wachstumsrate des Gewinns pro Aktie, das langfristige interne Wachstum sowie das langfristige Umsatzwachstum. Im „Value-Growth“-Vergleich der beiden großen Börsenregionen Europa und USA fallen bereits deutliche Unterschiede auf. Denn der überwiegende Teil der weltweit wichtigsten Growth-Titel findet sich an den US-Börsen, während die Verteilung bei den Value-Werten weitaus ausgeglichener ist. Die nachfolgenden Zahlen verdeutlichen die gravierenden langfristigen Unterschiede in der Wertentwicklung zwischen den US-Märkten und Europa sowie zwischen den beiden Aktientypen. So lag der Aktienindex MSCI Europe Value Ende 2022 genau 10 Prozent niedriger als zum Jahresstart des Jahres 2008. Allerdings verzeichnete der Index im Jahr 2022 „nur“ einen Verlust von knapp 5 Prozent. Im 15 Jahres Zeitraum konnte sich der Europe Growth Index annähernd verdoppeln (+ 92,4%), verlor jedoch im Jahr 2022 heftige 19 Prozent.

Auf der anderen Seite des Atlantiks fallen die Performancezahlen erheblich höher aus. So stieg der MSCI US Value Index im gleichen Zeitraum von 100 auf 302. Im Jahr 2022 blieb der Verlust bei überschaubaren 6,24%. Der MSCI US Growth Index stieg in den vergangenen 15 Jahren sogar von 100 auf 427. Allerdings enthält der Endwert bereits einen Verlust von über 32 Prozent aus dem Jahr 2022. Um die Information abzurunden sei darauf hingewiesen, dass der US-Dollar über den entsprechenden Zeitraum einen Gewinn von 27 Prozent gegenüber dem Euro aufweist.

Wesentliche Unterschiede lassen sich auch bei der Branchen- bzw. Sektorengewichtung der Indizes erkennen: Die höchste Gewichtung im europäischen Value-Index weisen „Financials“ auf. Aufgrund der hohen Gewichtung der Banken in diesem Segment und vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise in den Jahren nach 2008 wird deutlich, warum der europäische Value-Index eine deutlich schwächere Entwicklung aufweist. Und auch die gute Wertentwicklung des Jahres 2022 lässt sich vor dem Hintergrund der Sektorengewichtung erklären. Denn mit über 11% liegt der Energiesektor knapp vor Pharma und Health Care. Beim US-Pendant ist zwar die Reihenfolge der Sektoren identisch, jedoch sind die Gewichtungen sehr viel ähnlicher. Zwei weitere Aspekte dürfen nicht übersehen werden. Hoch gewichtete Titel können die Aussagekraft eines Index verzerren. Beispielhaft sei hier die extreme Marktgewichtung der „FAANG“-Titel in den vergangenen Jahren genannt, welche die Performance der Growth-Indizes maßgeblich bestimmt haben. Bei einer Gleichgewichtung aller Titel wäre die Wertsteigerung des Index deutlich niedriger gewesen. Andererseits kann die höhere Gewichtung von stark steigenden Aktien auch als Qualitätsmerkmal interpretiert werden, wodurch die hohe Indexgewichtung absolut gerechtfertigt wäre. Zweitens ist die Einordnung der Aktien durchaus diskussionswürdig. Denn, dass die Nestle Aktie als größter Wert des MSCI Europe Growth Index fungiert, dürfte bei dem einen oder anderen Investor auf Befremden stoßen.

Was können Anleger aus diesen Überlegungen mitnehmen? Offensichtlich war eine langfristige Anlage in europäischen Value-Werten in den vergangenen 15 Jahren absolut und relativ uninteressant. Allerdings könnten die Exzesse der Banken vor der Finanzmarktkrise die Ergebnisse verzerrt haben. Andererseits performten auch die US-Value Werte in den vergangenen 15 Jahren schwächer als die Growth-Titel. Nun dürften spätestens seit der Internet-Blase zum Ende des letzten Jahrtausends die Risiken einer euphorischen Anlegerstimmung bekannt sein. Das Merkmal „Growth“ alleine dürfte bei einer Auswahl von Aktien demnach zu wenig sein, um langfristig erfolgreich zu investieren. In jüngster Zeit finden sich eine Reihe von Analysen mit positiven Aussagen zu Value Aktien. Verwiesen wird vor allem auf die große Bewertungsdifferenz zu Growth-Werten und die vermeintlich schwächeren Wachstumsaussichten von Growth- und besonders Technologieaktien in Zeiten von höheren Zinsen. Doch so einfach ist es offensichtlich nicht. Fazit: Der Anlageerfolg hängt weniger vom Schubladendenken in Kategorien ab als von einer handwerklich sauberen Arbeit.

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