IST DER EURO ZUM UNTERGANG VERDAMMT?

Der Euro steht auf einem Mehrjahres Tiefstand zum US-Dollar und die kritischen Kommentare über die Einheitswährung multiplizieren sich mit jedem Cent, den der Euro weiter verliert. Aufgrund der Entwicklung der letzten Wochen und Monate ist die Reaktion nicht überraschend. Die skeptischen, ja katastrophistischen Szenarien zum Euro nehmen in den Kommentaren der Presse, Analysen und Publikationen der Banken und Investmenthäuser jeden Tag mehr Platz ein. Und tatsächlich durchläuft die europäische Einheitswährung eine äußerst schwierige Phase.

Im Zentrum der pessimistischen Analysen über den Fortbestand des Euro steht zweifelsohne die EZB. Ihr wird vorgeworfen zu spät und zu zögerlich auf die aufkommende Inflationsgefahr reagiert zu haben. Nun, so argumentieren die Skeptiker weiter, müsste die EZB die Zinsen deutlich stärker erhöhen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Der Zinsanstieg führt aber unter anderem zu hohen Verlusten auf die milliardenschweren Bestände an Staatsanleihen, die bei der EZB aus den Ankaufprogrammen der letzten Jahre liegen. Bei privatrechtlicher Betrachtung wäre die EZB, aufgrund der Kursverluste der im Bestand befindlichen Wertpapiere, quasi „bankrott“. Der Kurs des Euro sei daher ein Menetekel, der die geldpolitischen Fehler der letzten Jahre erbarmungslos aufzeige.

Betrachtet man die großen Währungsräume muss allerdings festgestellt werden, dass der Euro sich bei seiner Schwäche zum US-Dollar in guter Gesellschaft befindet. Der japanische Yen hat in den vergangenen 2 Jahren rund 10 % gegenüber dem Euro verloren und das britische Pfund, welches nach dem Brexit rund 25 % gegenüber dem Euro abwertete, konnte in den vergangenen 24 Monaten ebenfalls nicht von der Euro Schwäche zum Dollar profitieren. Selbst der Australische Dollar, eine Rohstoff-Währung, legte gegen Euro gerade einmal knapp 7% in den vergangenen 2 Jahren zu und bewegt sich mit den aktuellen Kursen in der Mitte des Kurskanals der letzten 10 Jahre. Es scheint sich also bei dem aktuellen Kursverhältnis Euro/USD weniger um eine ausgeprägte Euro-Schwäche, als vielmehr um eine Dollar Stärke zu handeln. Und die Erklärung ist relativ einfach. Die US-Notenbank hat in der Tat entschieden und kräftig auf die Inflationsdaten in den USA reagiert. Dabei kommt ihr zugute, dass sie in einem einheitlichen Währungsraum agiert. Die EZB dagegen muss bei ihren Aktionen auf höchst unterschiedliche volkswirtschaftliche Gegebenheiten Rücksicht nehmen. Aus diesem Grund haben sich die kurz- und die langfristigen Zinssätze in der Eurozone und den USA in den vergangenen Monaten deutlich auseinanderentwickelt. Die erheblich höheren Zinssätze in den USA sorgen dort für steigende Zuflüsse und eine höhere Nachfrage nach US-Dollar. Übrigens hat auch die FED einen sehr erheblichen Anteil der US-Staatsanleihen-Emissionen der letzten Jahre bei sich aufgenommen und ihre Bilanz explosionsartig ausgeweitet. Der Vergleich zeigt: EZB und FED lagen dabei in etwa gleichauf und verdreifachten ihre jeweilige Bilanz in den vergangenen drei Jahren. Für beide Institute gilt. Sie unterliegen nicht den gleichen Regeln und Gesetzen wie Geschäftsbanken. Deswegen kann die EZB hohe zwischenzeitliche Verluste auf ihren Bestand an Staatsanleihen aus dem Euroraum aushalten, ohne dadurch insolvent zu werden.

Was nun die Zukunft des Euro anbetrifft, sollte eine gewisse Skepsis vor den um sich greifenden Untergangsszenarien angebracht sein. Alle großen Währungs- und Wirtschaftsräume stehen vor massiven Herausforderungen:

Die japanische Notenbank hält seit Jahrzehnten an ihrer Niedrigzinspolitik fest, mit der sie versucht die Folgen der geldpolitischen Exzesse der späten 80-er Jahre und der demographischen Entwicklung Japans zu begegnen. Der Yen hat sich in den letzten 10 Jahren gegenüber dem US-Dollar annähernd halbiert, ohne dass der Untergang der japanischen Währung propagiert wurde. Die langfristigen Prognosen zur chinesischen Wirtschaftsentwicklung, die zur Jahrtausendwende aufgestellt wurden, haben sich als deutlich zu optimistisch herausgestellt. Zwar wies China gegenüber den USA in den vergangenen Jahren ein höheres Wachstum auf; das Bruttoinlandsprodukt der USA liegt aber weiterhin über dem Chinas. Und die aktuellen chinesischen Zahlen liegen ganz erheblich unter den dem Wachstumspfad, der vor 20 Jahren angenommen wurde. Im Gegenteil. US-Ökonomen propagieren nunmehr die Überzeugung „China wird alt, bevor es reich wird“. Die negative demographische Entwicklung des asiatischen Riesenreichs wird in den kommenden Jahren zu massiven Problemen führen. Und in den USA? Um ihre dominante weltpolitische Rolle auch in den kommenden Jahrzehnten auszufüllen, wird die amerikanische Regierung kaum an weiteren, groß dimensionierten Kreditneuaufnahmen vorbeikommen. Die Ausgaben für die Unterstützung der Ukraine sind da nur ein Vorgeschmack auf das, was die USA für die Unterstützung ihrer Partner im pazifischen Raum aufwenden werden müssen. Und innenpolitisch wird es für aktuelle Regierung ebenfalls teuer werden, will sie ihr Überleben über die nächste Legislaturperiode hinaus sichern. Demographisch besitzt die USA allerdings Vorteile gegenüber China, Japan und auch Europa.

Fazit: Trotz der bekannten und gravierenden politischen Probleme in Europa und einem Krieg in unmittelbarer Nähe dürfte sich die europäische Einheitswährung gegenüber den Währungen der anderen wichtigen Wirtschaftsräume auch in Zukunft in geordneten Bahnen bewegen. Das soll nicht heißen, dass der Euro in den kommenden Monaten gegenüber dem US-Dollar nicht nochmals unter Druck kommen kann, wenn die FED ihre Zinsen erneut deutlich anhebt und die EZB dahinter zurückbleibt. Die Sorge vor einem Überschießen der US-Notenbank und einer aufziehenden Rezession in den USA könnte jedoch auch bereits kurzfristig zu einer Wende im Euro/Dollar Verhältnis führen. Zudem darf daran erinnert werden, dass die Notenbanken diesseits und jenseits des Atlantiks mit ihren Inflationsprognosen über einen langen Zeitraum völlig daneben lagen. Es darf auch bezweifelt werden, ob Zinsanhebungen überhaupt das richtige Mittel sind, um eine Inflationsentwicklung, die größtenteils auf Energiepreisexzessen und Lieferkettenstörungen beruht, in den Griff zu bekommen. Die jüngsten Marktturbulenzen in England, wo die Zinsen für langfristige Anleihen in der vergangenen Woche völlig irrationale Preisschwankungen vollführten, könnten darauf hindeuten, dass die Finanzmärkte, was die Einschätzung der zukünftigen Inflationsraten angeht, als Indikator zurzeit wenig geeignet sind. Ob die FED am Ende mit ihrer Geldpolitik weniger Schaden anrichtet als die EZB ist keineswegs ausgemacht.

Eine Prognose für einen Untergang des europäischen Währungssystems würde ich jedenfalls nicht unterschreiben.

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