Strategie Update Juli 2022

RÜCKBLICK: „Draghische“ Ereignisse in Italien

Nach den Kursrückgängen im Juni erlebten die globalen Aktien- und Anleihemärkte im Juli eine deutliche Erholung. Diese entfaltete insbesondere in der zweiten Hälfte des Monats eine angenehme Dynamik, nachdem US-Notenbankvertreter nach der zweiten Zinsanhebung um 0,75% Äußerungen tätigten, welche die Marktteilnehmer im Vergleich zu denen des Vormonats als moderater interpretierten. Die Chinesischen Märkte konnten an dieser Erholung nicht teilnehmen. Hier belasteten erneute Corona-Sorgen.

USA: Am Tag nach der Zinserhöhung wurde eine Wachstumsrate des Brutto-Inlandsproduktes für die USA in Höhe von -0,9% gegenüber dem Vorjahr veröffentlicht, was in Kombination mit dem ebenfalls negativen Wachstum des 1. Quartals 2022 die Kriterien einer Rezession erfüllt. Untypisch an dieser Rezession ist, dass diese Rezession in eine Zeit mit boomendem Arbeitsmarkt und motivierten Kunden des Einzelhandels fällt. Wie sich die hohe Inflationsrate, insbesondere die hohen Energiepreise in Kombination mit den nun schon deutlich höheren Zinsen auch auf diese beiden Faktoren auswirken, bleibt abzuwarten. Bereits zu spüren sind diese Effekte in der Bauindustrie, und in den Stimmungsbarometern für das produzierende Gewerbe, welche auch im Juli deutliche Bremsspuren zu erkennen gaben.

Zum Monatsende hatten rund die Hälfte der Unternehmen im S&P 500 ihre Zahlen für das zweite Quartal vorgelegt. Die Umsatz- und Gewinnsteigerungen  sowie positiven Überraschungen liegen zwar unter den 5-jährigen Mittelwerten, ein Rückgang ist jedoch in der Breite nicht zu erkennen. Auffällig ist, dass die Analysten die Gewinnerwartungen stärker reduzieren als in der Vergangenheit, was auf die Erwartung hindeutet, dass Gewinne durch Inflation, einen zukünftig möglicherweise rückläufigen Konsum und ein rückläufiges Investitionsverhalten der Unternehmen in späteren Quartalen des Jahres sinken werden. Vergleicht man diese Rückgänge jedoch beispielsweise mit dem zweiten Quartal des Coronajahres 2020, so ist diese Entwicklung jedoch sehr marginal.

Europa: Wenngleich sich die Märkte auch in Europa positiv entwickelten, geschah dies mit einer etwas geringeren Dynamik. Anfang des Monats bekam die italienische Regierungskoalition im Kontext einer Debatte über Entlastungspakete für die Leidtragenden der steigenden Energiepreise Risse und zerbrach schließlich durch den Rücktritt des Ministerpräsidenten Mario Draghi. Dies könnte unter Umständen für den Euro ungünstig ausgehen, da aktuell eine mehrheitsfähige Kombination von europakritischen Nationalisten und Ultranationalisten ohne große Fantasie denkbar ist. Dies wiederum dürfte den ersten Live-Test des neuen „Transmission Protection Instrument“ auslösen, in welchem die EZB Abweichungen der Spreads von  ihren fairen Werten zu adressieren plant. Dies ist möglicherweise der Grund, weswegen die Marktteilnehmer zwar ein höheres Risiko am Anleihemarkt (siehe Abb. 1) für italienische Anleihen einpreisen, jedoch das Risiko eines Euro-Zerfalls

(siehe Abb. 2) noch eher gering eingeschätzt wird.

Quelle: Bloomberg LLP.

Quelle: Bloomberg, Eigene Berechnungen

Mitte des Monats hob die EZB dann die Zinsen erstmals seit 2018 an und machte dies etwas stärker als die Marktteilnehmer erwartet hatten. Die Märkte reagierten dennoch besonnen, was der eher moderaten Äußerung zu dem weiteren Verlauf der Zinsanhebungen für 2022 (weitere 0,75%) geschuldet sein dürfte.

Der Start der Berichtssaison verlief positiv. Wenngleich auch in Europa die Gewinnrevisionen der Analysten für das 3. und 4. Quartal sowie 2023 rekordverdächtig sind.

China: Im Wirtschaftsleben sind lineare Entwicklungen bekanntermaßen rar. So bekamen die chinesischen Kapitalmärkte nach erfreulichen drei Monaten im Rückspiegel einen Dämpfer. Mögliche Ursachen sind neue Corona-Beschränkungen in der Metropolregion Shanghai und einigen anderen Metropolen sowie eine Reihe schlechter als erwartet berichteter Wirtschaftsdaten. Zum Monatsende sorgte das Durchsickern des Reiseplanes der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi mit einem Zwischenstop in Taipeh für Aufsehen. Die chinesische Staatsführung reagierte empört und verhängte vorsorglich Sanktionen in Form von Ein- und Ausfuhrbeschränkungen gegen Taiwan. Diese betreffen diverse Agrargüter aus Taiwan nebst Sand aus China, welcher in Taiwan für die Bauindustrie benötigt wird.

AUSBLICK: Peak Inflation Szenario am Bond Markt?

Wie wir in früheren Ausgaben unseres Strategieupdates mehrfach thematisiert haben, ist und bleibt die spannendste Frage für die Marktteilnehmer, wie sich die begünstigenden Faktoren der Inflationsentwicklungen in der näheren Zukunft verhalten. Dies wird die weitere Vorgehensweise der Zentralbanken, aber auch mittelbar und unmittelbar die Entwicklung der Wirtschaftsleistung beeinflussen. Auf der einen Seite sehen wir Anzeichen für eine Entspannung auf der Angebotsseite durch rückläufige Frachtraten und Rohstoffpreise (z.B. Kupfer – sh. Abb. 4), die auf einen Abbau der Lieferengpässe hindeuten. Andererseits machen die neuen Corona-Maßnahmen in China im Juli deutlich, wie verwundbar unsere Lieferketten sind. Eine Entspannung auf der Seite der Nachfrage ist (noch) nicht zu beobachten. Der Arbeitsmarkt boomt und die Einzelhandelsumsätze sind robust. Auch wurden bereits im Juni eine Lohnsteigerung gegenüber dem Vorjahr berichtet, welche über der aktuellen Inflationsrate liegt. Ein Anstieg der Produktivität durch die Digitalisierung seit der Corona- Pandemie ist hingegen nicht zu beobachten. Kann dies so bleiben?

Quelle: Eigene Berechnungen

Quelle: Bloomberg, Eigene Berechnungen

An den Anleihemärkten manifestiert sich offenbar die Haltung, dass der Höhepunkt der Inflation in näherer Zukunft erreicht wird. Darauf deutet das Verhältnis zwischen der Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihe und der 10-jährigen US-Inflationsgeschützten Anleihe (TIPS) hin, die als guter Indikator der erwarteten durchschnittlichen Inflationsrate für die nächsten 10 Jahre (sh. Abbildung 3)gilt. Kupfer, welches regelmäßig als Frühindikator für eine zukünftige Wirtschaftsentwicklung und eine zukünftige Inflationsentwicklung dient, hat den Höhepunkt sogar schon erreicht (sh. Abbildung 4).

Für die Aktienmärkte bleibt das Fahrwasser unruhig. Auch wenn die Zentralbanken den geplanten Pfad der Zinsanhebungen nicht weiter verschärfen sollten, dürften die bereits getroffenen Maßnahmen in die Realwirtschaft übergreifen und auch auf Ebene der Unternehmen in den nächsten Monaten zu spüren sein. Richtige Trendwenden kamen meistens erst dann zustande, wenn die Zentralbanken das Lenkrad bewegten und nicht nur die Bremse lockerten.

Gleichwohl dürften sich unseres Erachtens in den nächsten Wochen und Monaten spannende Einkaufsgelegenheiten bei vielen hoch profitablen Unternehmen mit einem strukturellen Wachstum ergeben. Ähnliches erwarten wir auch auf der Anleiheseite, wo insbesondere im High-Yield Bereich Chancen liegen, insbesondere dann, wenn die Rezession ausfallen sollte oder nur moderate Ausprägungen hat.

STRATEGIE

Das skizzierte Marktumfeld wirkte sich im abgelaufenen Monat positiv auf unsere Anlagestrategie aus.  Alle Risikoklassen konnten im Monat Juli eine positive Performance verzeichnen und ebenfalls weitere Outperformance gegenüber unseren Benchmarks generieren. Trotz eher defensiver Asset Allokation konnten wir daher im Juni bestmöglich an der Kapitalmarktbewegung partizipieren, was insbesondere auf die Selektion der Wachstumsthemen zurückzuführen ist.

Auf der Aktienseite konnten insbesondere die Sektoren Information Technology, Consumer Discretionary und Industrials die höchsten Performance-Beiträge liefern. Insbesondere der Technologiesektor profitierte von den rückläufigen Renditen am US-Staatsanleihenmarkt sowie den überwiegend guten Unternehmensergebnissen aus dem 2. Quartal 2022.

In Summe konnten alle Sektoren auf der Aktienseite einen positiven Wertbeitrag in die Anlagestrategie beisteuern.

Auf der Rentenseite war Ähnliches zu beobachten. Alle Renten Assetklassen lieferten im Juni einen positiven Wertbeitrag. High-Yield, Wandelanleihen und kurze EUR-Unternehmensanleihen waren die größten Performancetreiber der Rentenallokation.

Im abgelaufenen Monat haben wir die Asset Allokation leicht angepasst. Wir haben unsere Engagements in Wachstumssektoren noch einmal in Richtung Quality-Dividend allokiert und sind weiterhin mit einer Aktienquote leicht unterhalb der neutralen Gewichtung aufgestellt.

Aktuell sind keine Veränderungen in der Asset Allokation geplant. Die Anlagestrategie und insb. die Themenselektion hat gezeigt, dass eine Outperformance auch mit weniger Risiko generiert werden kann. Da wir weiterhin mit politischer Unsicherheit und rezessionsähnlichen Entwicklungen rechnen, halten wir daher unsere taktische Kasse-Position aufrecht. Diese verschafft uns anlagestrategisch alle Möglichkeiten, um neue Investments, insbesondere in einem Umfeld erhöhter Volatilität, mit sehr geringen Opportunitätskosten einzugehen. In der aktuellen Situation wägen wir weiteren Aufbau von Risikopositionen auf Aktien- sowie Rentenseite genau ab. Unser Ziel bleibt es, optimal an einer möglichen Zwischenrallye an den Märkten zu partizipieren sowie genug Handlungsspielraum im Risikomanagement, aber auch auf der Investmentseite zu haben.

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